Jörg Bernstein (FDP): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, dass ich zuerst zum Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen einige Ausführungen mache. Zur Genese, zur Entwicklung dieses Modellstudiengangs wurde hier schon genug gesagt. Aus meiner Sicht sind es die Antworten auf die Fragen, die uns hier ganz explizit bewegen: Wie sichern wir Unterricht ab? Wie finden wir gute Lehrer und vor allem, wie binden wir diese Lehrer an unser Land?

Wir wollen die Qualität der Lehramtsausbildung stärken und, was mir ganz besonders wichtig ist, mit diesem Studiengang in der Perspektive auch Quereinsteigern die Möglichkeit geben, sich vollumfänglich dem Lehrerberuf zu widmen. Das heißt also, dass man z. B. den Absolventen fachwissenschaftlicher Bachelorstudiengänge die Möglichkeit gibt, in diesen Masterstudiengang zu wechseln und damit letztlich einen vollständig anerkannten Lehramtsabschluss zu erlangen. 

Damit bin ich wieder bei dem einen Punkt. Jetzt streue ich wieder meinen kleinen Werbeblock ein, der nämlich darauf zielt, dass man die Ausbildung oder die Neuentwicklung von Studiengängen an den Fachhochschulen dahin gehend vorantreibt, dass es eben auch die Möglichkeit gibt, sich schon an der Hochschule, z. B. in meiner Heimatstadt Dessau-Roßlau, ganz gezielt 

(Zustimmung von Dr. Anja Schneider, CDU, und von Ministerin Eva Feußner)

auf einen entsprechenden pädagogischen Studiengang, meinetwegen gern an der Universität in Magdeburg, vorzubereiten.

Es geht aber nicht nur um neue Studiengänge, es geht letztendlich auch darum, Studierenden aufzuzeigen, ob sie für diesen Beruf überhaupt geeignet sind. Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich: Das lernt man am besten, wenn man früh in die Praxis einbezogen ist und merkt, wie es ist, wenn man vor Schülern steht.

(Zustimmung von Andreas Silbersack, FDP)

Ist das tatsächlich etwas für mich? Es ist nicht gut, wenn man das Ganze erst am Ende des Studiums erkennt.

Eine Erwartung wurde auch von dem Kollegen Borchert schon genannt: Wir wollen mit solchen hohen Praxisanteilen natürlich auch die Abbrecherquote senken. Wir wollen eine gute Balance schaffen zwischen fachwissenschaftlichen Inhalten und Querschnittskompetenzen, die im Lehramt immer mehr gebraucht werden.

Die finanzielle Untersetzung - das kann ich auch als Mitglied im Finanzausschuss sagen - ist sichergestellt. Die entsprechenden Vergütungen für die Studenten sind im Haushalt eingeplant.

Nun zu dem Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke. Ich lasse meine Vorbereitungen hierzu einmal weg und gehe einfach auf meine Notizen ein, die ich mir während des Vortrags des Kollegen Lippmann gemacht habe. Ich bin von Hause aus zwar kein Jurist, aber ich habe im Unterricht mit meinen Rechtsanwaltsfachangestellten auch über Grundlagen des Rechts gesprochen.

Mir war eigentlich immer in Erinnerung, dass man in der Kaskade „Gesetz, Verordnung, Erlass“ vorgeht, dass man letztendlich vom Allgemeinen zum Speziellen, zum Besonderen geht. Das, was Sie machen, ist aber die Umkehrung. Sie packen ein Schulgesetz voll mit entsprechenden Zahlen zur Personalausstattung, zu Mindestschülerzahlen, die aus meiner Sicht nicht unbedingt in ein Gesetz hineingehören.

Sicherlich soll ein Gesetz einen Rahmen schaffen, aber es muss auch eine entsprechende Flexibilität ermöglichen. Wir haben kürzlich - Kollegin Pähle ist gerade wieder hereingekommen - über die Verordnung zur Schulentwicklungsplanung gesprochen. Dazu heißt es letztendlich auch immer: Ich habe zwar Zahlen, aber ich kann den Schulen vor Ort doch nicht alles vorschreiben.

Ich habe das Beispiel mit der Gemeinde Seeland gebracht, die das in genau der gegenteiligen Richtung gemacht haben. Sie haben drei Schulstandorte geschlossen und einen neuen Schulstandort geplant. Ganz allgemein, auch aus meiner persönlichen Sicht: Oftmals ist es auch eine Frage der Schulträger. Die machen es sich nach meiner Erfahrung recht einfach, indem sie sich bei Entscheidungen, die eigentlich vor Ort getroffen werden müssten, einen schlanken Fuß machen und das Ganze an das Land abschieben. Das finde ich auch nicht unbedingt fair, das muss ich in der Doppelfunktion als Stadtrat und als Landtagsabgeordneter auch einmal sagen, 

(Zustimmung von Dr. Anja Schneider, CDU) 

auch gerade mit Blick auf meine Heimatstadt Dessau-Roßlau, wo jetzt vielleicht auch ein sogenanntes Schulkombinat ansteht.

(Guido Kosmehl, FDP: Das wollen wir aber nicht!)

Aber die Themen, die vor Ort brennen, sind aus meiner Sicht - das muss man einfach so sagen - vielfach auch hausgemacht.

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP - Ministerin Eva Feußner: Genau!)

Die Schülerzahlen vor Ort sind da, doch alles, was der Stadtratsfraktion der Linken in Dessau-Roßlau gerade einfällt, ist die Frage von Schuleinzugsbereichen.

(Guido Kosmehl, FDP: GRÜNE auch! - Monika Hohmann, Die Linke: Das hat die CDU im Harzkreis auch gemacht! Das ist kein Thema der Linken!)

Das ist aus meiner Sicht nicht die ganz große Lösung.

Zur Frage der Lehramtsausbildung für die Sekundarschule. Eine Antwort darauf ist unser Modellstudiengang. Das ist nicht die allein seligmachende Lösung, aber wir haben zumindest versucht, einmal etwas Neues auf den Weg zu bringen, mit dem man diese Probleme an den Sekundarschulen lösen kann.

Wenn es hierbei auch um die Frage des Stufenlehramts geht, sage ich: In den vielfältigen Ausschussberatungen ist es mir bisher nicht gelungen, den Sinn dieses Stufenlehramts tatsächlich zu erkennen. Die Kolleginnen und Kollegen, die aus den Lehrer bildenden Universitäten hier waren, speziell von der Halleschen Universität, haben mich tatsächlich nicht so überzeugt, dass ich davon ausgehe, dass wir ein solches Stufenlehramt brauchen. Ich bin schon der Meinung, dass es für die unterschiedlichen Schulformen auch unterschiedlich qualifizierte Lehrkräfte braucht.

(Zustimmung bei der FDP)

Damit sind wir wieder bei dem Punkt. Ich mache ganz kurz einen Schwenk zurück. Wir müssen das Lehramt letztendlich auch für Studieneinsteiger ermöglichen, die keinen gymnasialen Abschluss haben.

Wenn ich einmal den Weg betrachte, den bspw. ich beschritten habe: eine polytechnische Ausbildung zu DDR-Zeiten, dann eine Berufsausbildung, in dem Fall zwar mit Abitur, aber vergleichbar wäre das heutzutage, sagen wir einmal, damit, dass ich eine einjährige Ausbildung mache, die Fachoberschulreife erwerbe und dann z. B. an einer Hochschule einsteigen kann, einen Bachelor-Abschluss mache, einen Master-Studiengang anschließe - und dann bin ich fertiger Lehrer. Das bringt auch einmal einen ganz neuen Blick in die Schullandschaft, anders als der von Studentinnen und Studenten, die halt nur ein Gymnasium gesehen haben.

(Dr. Katja Pähle, SPD: Aber der Weg geht ja jetzt auch schon!)

- Das ist richtig. Aber man könnte das Ganze noch ein bisschen verbreitern. Der Weg, den wir haben, ist der, - so ist es in Merseburg meines Wissens  , dass man die Kombination für das Berufsschullehramt hat. Aber das könnte man tatsächlich auch für andere Schulformen erweitern.

Was habe ich noch auf meiner Liste? - Mehr Schulautonomie. Das ist eine Sache, bei der bin ich tatsächlich auch dabei. Aber dann müssten wir unsere Schulleitungen tatsächlich professionalisieren, vielleicht auch breiter aufstellen, quasi in Richtung einer pädagogischen Geschäftsführung einer Schule und einer kaufmännischen Geschäftsführung einer Schule.

Dann würde ich jetzt einmal eine ganz große Innovationsidee in den Raum werfen. Das werden wir in dieser Legislaturperiode sicherlich nicht mehr anpacken können, aber das sind Dinge, die man sieht, wenn man im Ausland unterwegs ist. Kollege Lippmann war auch mit bei dem Besuch der bildungspolitischen Sprecher in den Niederlanden.

Sagen wir einmal: Wir teilen das Budget, welches das Bildungsministerium zur Verfügung hat, einfach auf alle Schüler im Land auf und verteilen es an die Schulen, ganz gleich, ob es öffentliche Schulen oder Schulen in freier Trägerschaft sind, 

(Ministerin Eva Feußner: Ja!)

und dann lassen wir die damit machen. Das wäre aus meiner Sicht eine echte Innovation, bei der man sagen könnte, dass sie diesen Namen auch verdient hat.

Kurz noch zu unserem Abstimmungsverhalten. Im Namen der Fraktion der Freien Demokraten möchte ich erklären, dass wir einer Überweisung des Gesetzentwurfs der Linken nicht zustimmen werden.

(Zustimmung bei der FDP)

Selbstverständlich werden wir unserem eigenen Entwurf bei der Beratung im Bildungsausschuss zustimmen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der FDP)


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Herr Bernstein, warten Sie, es gibt eine Frage von Frau Hohmann. Wollen Sie die beantworten?


Jörg Bernstein (FDP): 

Von Frau Hohmann? Aber klar, von Frau Hohmann immer gern.


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Bitte sehr, Frau Hohmann.


Monika Hohmann (Die Linke): 

Danke schön. - Herr Bernstein, ich habe jetzt bei Ihnen herausgehört   das kann ich vielleicht missverstanden haben  , dass Sie gegen den Erhalt von Schulstandorten sind.

(Kathrin Tarricone, FDP: Was? Nein!)


Jörg Bernstein (FDP): 

Ich bin was?


Monika Hohmann (Die Linke): 

Dass Sie gegen den Erhalt von Schulstandorten sind. Denn Sie haben eben gerade gesagt, dass in Dessau die Fusion ansteht, aber dass die Linken dort Schuleinzugsbereiche beschlossen oder eingebracht haben, damit die Schulstandorte bleiben.

Ich möchte nur sagen: Bei uns im Harzkreis hätten wir, wenn wir das mit den Schuleinzugsbereichen nicht gemacht hätten, etliche Gymnasien verloren. Wir haben also   nicht nur als Linke, sondern fraktionsübergreifend, sogar mit der CDU   diese Schulstandorte retten können. Sie haben jetzt aber gesagt, dass Sie das in Dessau genau umgekehrt haben wollten. Sie wollten die Schulen fusionieren lassen und keine Einzugsbereiche.


Jörg Bernstein (FDP): 

Das stimmt gar nicht.


Monika Hohmann (Die Linke): 

Ich wollte nur nachfragen, ob ich das falsch verstanden habe. 


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Bitte, Herr Bernstein.


Jörg Bernstein (FDP): 

Liebe Kollegin Hohmann, das haben Sie ganz bestimmt falsch verstanden. Ich bin kein Verfechter einer Fusion. Ich bin, wie gesagt, auch im Stadtrat tätig und Kreisvorsitzender der FDP. Wir als FDP Dessau-Roßlau haben uns ganz klar für die Eigenständigkeit beider Schulen ausgesprochen, aber eben nicht mit der Maßgabe, das über den Weg von Schuleinzugsbereichen zu machen.

(Zustimmung von Andreas Silbersack, FDP, und von Guido Kosmehl, FDP)

Ich weiß nicht, ob wir hier jetzt ein Zwiegespräch führen können, aber ich brauche nur schnell eine Information. Wie weit sind diese beiden Schulen im Harz voneinander entfernt gewesen?


Monika Hohmann (Die Linke): 

Es sind nicht nur beide, es sind mehrere Schulen.


Jörg Bernstein (FDP): 

Mehrere. Jetzt nenne ich Ihnen einmal den Punkt in Dessau-Roßlau. Der Punkt war: Wir haben zwei Gymnasien,

(Ministerin Eva Feußner: Drei!)

die - Pi mal Daumen - plus/minus 5 km voneinander entfernt sind und bei denen man bisher immer davon ausgegangen ist, dass sie auf keinen Fall zusammengehen könnten, fusionieren könnten, weil sie ganz unterschiedliche Profile haben. - Punkt.

(Guido Kosmehl, FDP: Und eines war erfolgreich und das andere nicht!)

Meine Überlegung ist nun: Wie will ich den Eltern die Zuweisung an eines der Gymnasien über Schuleinzugsbereiche verklickern, wenn diese ganz unterschiedliche Profile haben? Kann ich bspw. einem Kind, das von sich sagt: „Ich bin eher musisch interessiert“, einfach sagen: „Du kommst jetzt an das naturwissenschaftlich orientierte Gymnasium, weil du gerade in diesem Schuleinzugsbereich lebst“? Das ist eine Sache, die ich nicht recht nachvollziehen kann.

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)

Das war der Hintergrund meiner Überlegung.


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Okay. - Frau Hohmann?


Monika Hohmann (Die Linke): 

Nur eine ganz kurze Nachfrage. - Also habe ich es richtig verstanden, ja? Nach der Schulentwicklungsplanungsverordnung wäre die Gefahr für beide nicht gegeben. Dann frage ich mich: Warum haben Sie denn im Stadtrat diskutiert?


Vizepräsident Wulf Gallert: 

Jetzt nur eine kurze Antwort, ansonsten müssen wir hier eine Dessau-Gruppe aufmachen.

(Daniel Roi, AfD: Wenn man bei der Linken ist, kann man sich auch dreimal melden!)


Jörg Bernstein (FDP): 

Anhand der Schülerzahlen wäre diese Gefahr nicht gegeben. Ich bin Verfechter einer ganz klaren Profilierung, für die man sich starkmachen muss.

(Zustimmung von Andreas Silbersack, FDP, und von Guido Kosmehl, FDP) 

Aber die wurde in den vergangenen Jahren zumindest bei einem Gymnasium aus meiner Sicht leider nicht ausreichend verfolgt. - Danke.